Ernährungsgewohnheiten werden in frühester Kindheit entscheidend geprägt. Diese Prägung ist von Anfang an ein Wechselspiel zwischen Mutter und Kind bzw. später dem Kind und seinen Bezugspersonen. Damit der Säugling sich seinem eigenen Tempo entsprechend zum Löffling entwickeln kann, spielen nicht nur der Zeitpunkt und die Art der Einführung von Beikost eine wesentliche Rolle, sondern auch die Monate davor.
Von Mutterleibe an…
Das beginnt im Mutterleib, wo der heranwachsende Fötus am Geschmack des Fruchtwassers schon einen Vorgeschmack auf das bekommt, was ihn später am Familientisch erwartet. Noch ist unklar, inwieweit die Schwangerschaftsgelüste Ausdruck der besonderen Bedürfnisse des Fötus sind. Gestillte Babies werden über die Zusammensetzung und den Geschmack der Muttermilch ebenfalls herangeführt werden an deren Ernährungsgewohnheiten. Gleichzeitig passt sich die Muttermilch in Zusammensetzung und Menge auch den Bedürfnissen des Säuglings an. Deshalb gilt: Stillen ist das Beste für das Kind.
Warten können…
Vier Monate braucht das Neugeborene mindestens, bis der Verdauungstrakt soweit ausgebildet ist, dass Beikost schrittweise eingeführt werden kann. Allerdings ist dieses „kann“ kein „muss“. Jedes Kind durchläuft die einzelnen Entwicklungsschritte in individuellem Tempo – und zeigt, wann der erste Löffel dran ist. Solange die Kinder vital sind, ihre Entwicklung im Normbereich liegen und die Mütter genügend Ausdauer und Energie zum Stillen haben, spricht nichts dagegen, auch weit über den vierten Lebensmonat hinaus voll zu stillen. Die WHO empfiehlt ohnehin, sechs Monate voll zu stillen und die Beikost danach unter Stillschutz einzuführen. Das gewährleistet die beste Bekömmlichkeit der eingeführten Lebensmittel.
… bis der Löffel dran ist
Was darf denn drauf sein – auf dem ersten Löffel? Gemüse sollte es sein – unbedingt gut gekocht und fein püriert. Mit dem Kochen und Pürieren werden die Zellstrukturen der Gemüse so gelockert, dass die Nährstoffe besser aufgenommen werden. Wenn die ersten Zähne da sind, kann allmählich übergegangen werden zum bloßen Zerdrücken der gekochten Gemüse-Kartoffel-Mahlzeiten mit einer Gabel.
Karotten und Co
Karotten sind die Klassiker, mit denen in unserem Kulturkreis die Beikost beginnt. Sie werden nach wenigen Tagen mit Kartoffeln ergänzt. Das hat praktische Gründe: Karotten gibt’s das ganze Jahr in guter Qualität, sie schmecken angenehm süßlich und sind gekocht leicht verdaulich. Nur wenige Kinder mögen oder vertragen keine Karotten. Bei ihnen kann auf Pastinake, Kürbis oder Zucchini als Einstiegsgemüse ausgewichen werden. Und die Kartoffel bietet neben leicht verdaulicher Stärke wie das Gemüse auch jede Menge an Vitaminen und Mineralien.
Butter und Öl
Wertvoll für die Entwicklung der Sprösslinge ist die Fettzugabe von ungefähr 1 Teelöffel zu jeder Gemüse-Kartoffel-Mahlzeit. Butter hat viele leicht bekömmliche Fettsäuren und einen relativ hohen Cholesteringehalt. Dieses Cholesterin braucht das Kind im ersten Lebensjahr zur Gehirn- und Nervengewebsentwicklung. Schließlich sind 30% des gesamten Gehirn- und Nervengewebes reinstes Cholesterin. Pflanzliche Öle (z.B. Rapsöl, Sonnenblumenöl, Weizenkeimöl) sind schwerer verdaulich, liefern aber die ebenfalls erforderlichen ungesättigten Fettsäuren. Deshalb bietet sich ein Wechsel der Fette von Tag zu Tag oder auch wochenweise an.
Fleisch und Eigelb
Feinpüriertes Rind- oder Schweinefleisch zwei- bis dreimal die Woche kann sein, ist aber nicht zwingend nötig. Vor allem gestillte Kinder sind auch ohne Fleisch in der Regel vor einem Eisenmangel im ersten Lebensjahr gefeit. Hin und wieder ein Eigelb mit der Fülle seiner entwicklungsfördernden Nährstoffe und gut durchgegart, zur Mahlzeit, ergänzt den Speiseplan zum Wohl des Kindes.
Eiweiß in Maßen
Auf das Eiweiß aus dem Hühnerei sollte im ersten Lebensjahr verzichtet werden, um die Eiweißzufuhr in Grenzen zu halten. Der Eiweißbedarf wird reichlich gedeckt mit dem Stillen bzw. der Flaschennahrung oder den ab Ende des sechsten Lebensmonats allmählich eingeführten Milch-Getreide-Obst-Breimahlzeiten. Deshalb ist auch sinnvoll, weder Quark noch Joghurt als Zwischenmahlzeit oder gar als Mahlzeit anzubieten. Zuviel Eiweiß gilt als Risikofaktor für späteres Übergewicht.
Keine Extrawürste, bitte!
Ab Ende des ersten Lebensjahres brauchen Kleinkinder keine „Extrakost“ mehr, sondern können am Familientisch mitessen. Bis dahin zeigen die meisten Kinder sehr deutlich, was sie mögen und was nicht. Nicht immer entspricht das den Vorstellungen von Eltern und/oder Ernährungsratgebern. Durchaus normal sind Phasen, in denen Gemüse verpönt, die Kartoffeln und Nudel am liebsten blank und das Käse- und Wurstbrot mit viel Geschick so verzehrt wird, dass am Ende das Brot übrig bleibt. Sie enden umso schneller, je weniger daraus ein Machtkampf zwischen Eltern, Bezugspersonen und Kind wird und je weniger Aufmerksamkeit das Kind damit erregt. Vor vollen Tellern ist auch noch kein Kind verhungern. Kinder, die eine Mahlzeit verschmäht haben, dürfen durchaus auch Hunger verspüren bis zur nächsten, statt zwischendrin mit dem versorgt zu werden, was sie lieber oder zumindest gern essen. Dann schmeckt die nächste Mahlzeit besser…
Last but not least sind Neugeborene von Anfang an auch eine Chance für die Eltern, ihr eigenes Ernährungsverhalten nochmals neu zu überdenken und möglicherweise einiges zu ändern, um ihre Kinder an eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung zu führen. Neben der Wahl der Lebensmittel gehört dazu auch die Gestaltung der Mahlzeiten. Für Kinder ist am allerbesten, wenn sie mit den Eltern, der Familie oder anderen Bezugspersonen gemeinsame Mahlzeiten einnehmen. Schwierigen Essern kann man insoweit entgegenkommen, dass immer auch etwas auf dem Tisch steht – für alle da – was das Kind mag und wo es zugreifen kann – ohne dass ihm damit eine „Extrawurst“ gemacht wird.
Kinder werden auch beim Essen am meisten von dem übernehmen, was die Eltern ihnen vorleben, im Sinne des bedeutenden Reformpädagogen Friedrich Fröbel (1782-1852), der sagte: „Erziehung ist Beispiel und Liebe – und sonst nichts.“