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Impulse statt Rezepte

Menschen haben es seit Jahrtausenden verstanden, sich zu ernähren - auch ohne wissenschaftliche Erkenntnis, allein aus Erfahrung und immer wieder neu erfolgter Anpassung an das Nahrungsangebot, das die Umwelt bot. Entscheidender als die Frage nach dem Gesundheitswert der Nahrungsmittel hat die Lust auf das „aus Erfahrung Gute“ das Essverhalten geprägt. Gute Kartoffeln können jeden Mittag auf dem Tisch stehen und werden dennoch gern gegessen, schlechte hingegen erzeugen schon mit der ersten Mahlzeit Widerwillen beim Essen. Weil rohe Kartoffeln zum Unwohlsein führen, denn sie sind weitgehend unverdaulich, kommt auch kaum jemand auf die Idee, sie in größeren Mengen und regelmäßig roh zu verzehren.

Legt man also die Beobachtung zugrunde, dass in jedem selbst Sensoren angelegt sind für das, was und wie viel ihm gut tun würde, ergibt sich daraus als logische Konsequenz: Die Verantwortung für das eigene Ernährungsverhalten kann man nicht an ausgebildete Fachkräfte delegieren. Eine fundierte Ernährungsberatung kann und muss also „nur“ die Hilfe zur Selbsthilfe zum Ziel haben.

Wer weiß, dass er jeden Abend nach Büroschluss den kompletten Inhalt des Kühlschranks leert und sich danach eher unwohl fühlt, hat die Verantwortung, möglicherweise auch mit fachlicher Unterstützung, sein Verhalten zu ändern. Vermutlich umfassen diese Änderungen noch ganz andere Punkte als den eigentlichen Inhalt des Kühlschranks an die tatsächlichen Bedürfnisse „anzupassen“. Vielleicht hilft schon ein Spaziergang oder ein Bad zur Entspannung, um den Stress des Tages abzulegen, bevor der Kühlschrank geöffnet wird – vielleicht aber auch nicht. Patentrezepte gibt es an der Stelle nicht, nur mutiges Experimentieren und Ausprobieren.

Beides ist schwer fassbar in wissenschaftlichen Studien, wohl aber wichtig für die Erfahrungswelt des Individuums, denn – auch das ist eigentlich eine Binsenweisheit – wer gelernt hat, seine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und in seinem sozialen Umfeld so einzubauen, dass es ihm selbst und der Mitwelt „gut“ damit geht, bleibt oder wird unabhängiger von bunt schillernder Werbung für all die Nahrungsmittel, die im eigentlichen eher überflüssig sind. Kartoffeln, Nudeln, Brot, Käse, Wurst, Milch, Gemüse und Obst – alle Grundnahrungsmittel, die in der Tradition unserer Ernährung einen festen Platz haben, brauchen keine groß angelegten Werbekampagnen. Ein Orientierungsmaßstab für die Praxis kann also sein: Je aufwändiger die Werbung für ein Produkt, desto überflüssiger ist es auf dem Teller. Um dennoch ein Bedürfnis dafür zu wecken, bedient sich die (Lebensmittel)werbung unserer Träume und Fantasien von einer perfekt-glücklich-gesunden-fitten Welt, in der eben nur die eine Margarinemarke das Frühstück gut macht.