Einst ließ sich Eva von der Schlange überreden, Adam die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis zu geben. Ob’s ein Apfel war? Jedenfalls hat diese Frucht den Menschen aus dem Paradies vertrieben. Hätte Adam nicht zugebissen, säßen wir heute noch dort, wo Harmonie und Eintracht herrschen, wo die Wiesen in üppiges Grün getaucht und die Felder voller Früchte sind, wo Schwerter nicht gebraucht werden, weil die Wölfe friedlich mit den Schafen hausen, wo niemand hungert und keiner übersättigt ist.
Wir wären umhüllt und versorgt wie das ungeborene Kind im Mutterleib.
Doch Adam hat in die Frucht gebissen. Schmerzhaft setzten die Wehen ein, mit denen sich den Menschen eine andere Welt öffnete. Die Wölfe jagen seither den Schafen nach. Mühsam und voller Plage ist der Kampf um das tägliche Brot. Schwerter werden geschmiedet und Waffen gebaut, womit sich die Menschen gegenseitig vernichten. Krankheit, Leid, Vergänglichkeit bekümmern uns.
Aber mit dem Biss in die Frucht hat der Mensch auch seine Verantwortung erkannt. Auch, wenn es manchmal so scheint, als würde er sie mit aller Gewalt missbrauchen. Doch gegen den Unfrieden schmieden wir Pläne, wie aus Schwertern Pflugschare werden können. Mit Saat und Ernte schützen wir uns vor Hunger und Auszehrung. Mann und Frau entdecken sich als erotische Wesen. Jedes neu geborene Kind ist ein Zeichen gegen die Vergänglichkeit des Lebens. Mit der Zerrissenheit zwischen Gut und Böse müssen wir uns seither auseinandersetzen. Geburt und Tod, Reichtum und Armut, Liebe und Hass fordern uns heraus in ihren Gegensätzlichkeiten.
Es könnte ein Apfel gewesen sein, der den Menschen aus dem Paradies vertrieb. Denn diese Frucht symbolisiert das Weibliche, das Verführerische, die Gefühle. Sie ist gleichzeitig Sinnbild für Hoffnung und Zuversicht. Mit wenigen Worten malte Martin Luther vor fast fünfhundert Jahren dieses Bild. Er sagte: „Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen.“ In, mit und gegen alle Wirren der Zeit und der Welt, in der wir leben, schöpfen Menschen immer noch und immer wieder Kraft, Mut und Hoffnung aus dem Traum vom Paradies, der in uns wohnt, seit Adam in den Apfel biss.